Verkehrswende braucht Zeitenwende - ADFC Kreis Kleve

Verkehrswende braucht Zeitenwende

ADFC, Allianz pro Schiene, IG Metall, Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und Zukunft Fahrrad legten auf einer Pressekonferenz ein gemeinsames Positionspapier vor.

Radverkehr in der Invalidenstraße in Berlin.
Radverkehr in der Invalidenstraße in Berlin. © Qimby/Philipp Böhme

Vor genau einem Jahr, am 10. Januar 2023, hatte die Bundesregierung zu ihrem ersten Mobilitätsgipfel eingeladen – allerdings nur die Autoindustrie. In der Folge kritisierten damals zahlreiche Verbände und Organisationen, die Verkehrswende sei längst noch nicht im Kanzleramt angekommen.

Auch ein Jahr später deutet sich keine Zeitenwende in der Verkehrspolitik der Bundesregierung an. Die Verkehrsarten werden weiter isoliert von einander betrachtet; ein Gesamtkonzept zur Mobilität in Deutschland ist nicht in Sicht.

Gewerkschaften, Schienen- und Fahrradverbände haben auf einer gemeinsamen Pressekonferenz vorgestellt, welche verkehrspolitischen Weichen die Ampel-Koalition in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode stellen sollte.

Gemeinsames Positionspapier vorgestellt

Für eine Verkehrswende braucht es aus Sicht der Organisationen mehr Anstrengungen der Regierung. Sie fordern eine flächendeckende Mobilitätsgarantie für alle Bürgerinnen und Bürger. Mobilität ist ein Grundbedürfnis aller Menschen.

„Mobilität und Verkehr stehen in Deutschland und Europa vor großen Veränderungen. Die anstehende Verkehrswende ist eine Gestaltungsaufgabe, die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in den kommenden Jahren gleichermaßen fordern wird“, heißt es im gemeinsamen Positionspapier. Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, machte den Anspruch in der Pressekonferenz deutlich: „Politik muss gestalten.“

Zum gemeinsamen Positionspapier

Flächendeckende Mobilitätsgarantie

In dem Positionspapier formulieren ADFC, Allianz pro Schiene, Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), IG Metall und Zukunft Fahrrad erstmals gemeinsam Forderungen für das Gelingen der Verkehrswende.

Im Papier heißt es: „Unser Ziel ist eine Mobilitätsgarantie. Das bedeutet definierte Mindeststandards im ganzen Land und einen gesetzlichen Anspruch auf Mobilitätsdienstleistungen.“ Dafür seien bessere Angebote im Umweltverbund erforderlich: „Ein durchgängiges Radwegenetz sowie sichere Radabstellanlagen, ein unkompliziertes Ticketsystem für den öffentlichen Nah- und Fernverkehr, deutlich erhöhte Regionalisierungsmittel und erheblich mehr Personal im öffentlichen Verkehr.“

 

Kritik an Blockadehaltung mancher Länder

Bei der Radinfrastruktur sieht das Bündnis großen Nachholbedarf. Der ADFC-Bundesvorsitzende Frank Masurat sagte: „Um das im Nationalen Radverkehrsplan vereinbarte Ziel von doppelt so viel Fahrradverkehr und gleichzeitig mehr Sicherheit für Radfahrende zu erreichen, muss die Bundesregierung das Straßenverkehrsgesetz fahrradfreundlich reformieren.“

Masurat betonte, dass das aktuelle Gesetz die Kommunen beim Bau von sicheren und attraktiven Radwegen ausbremse. Es gab einen Gesetzesvorschlag vom Bundesverkehrsministerium für die geplanten Novellen des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Der Entwurf zum StVG wurde vom Bundestag beschlossen, vom Bundesrat aber Ende November abgelehnt.

„Jetzt stehen einige Bundesländer mit vorgeschobenen Argumenten auf der Bremse. Es ist zynisch, dass sie die Privilegien des Autoverkehrs zulasten der Sicherheit von Radfahrerinnen und Radfahrern zementieren wollen“, so Masurat.

Appell an Bundesverkehrsminister: „Retten Sie die StVG-Reform“

Für das Fahrradland Deutschland müsse die Finanzierung von jährlich drei Milliarden Euro gesichert werden, die zu gleichen Teilen von Bund, Ländern und Kommunen getragen werden könnte. Zudem müsse ein Umdenken stattfinden und umweltschädliche Subventionen getrichen werden. Frank Masurat appellierte erneut an Bundesverkehrsminister Wissing: „Retten Sie die Reform, rufen Sie den Vermittlungsausschuss an!“

Verkehrswende bietet Chance für neue Arbeitsplätze

Für Jürgen Kerner, den Zweiten Vorsitzenden der IG Metall, war klar, dass es zur Verkehrswende auch gehöre, veränderte und neue Arbeitsplätze mitzudenken und deren Qualität zu sichern. „Die Verkehrswende hat das Potenzial für eine Beschäftigungsoffensive. Dafür braucht es eine aktive Industriepolitik und gute Weiterbildungsmöglichkeiten für Beschäftigte von Unternehmen, die in der Transformation stecken“, sagte Kerner.

„Die Bundesregierung muss dafür Sorge tragen, Arbeitsplätze in Deutschland und Europa zu fördern. Sie sollte per Gesetz sicherstellen, dass mindestens 50 Prozent der Busse und Bahnen ‚made in Europe‘ sind, wenn die öffentliche Hand Verkehrsdienstleistungen vergibt oder öffentliche Verkehrsunternehmen Fahrzeuge für den Personentransport beschaffen“, so Kerner weiter.

Mobiltätsbudget ermöglicht echte Wahlfreiheit

Es brauche Anreize, um auf nachhaltige Verkehrsmittel umzusteigen. „Bei allen steuerlichen Lenkungsinstrumenten im Verkehrssektor muss gelten, dass die am wenigsten klimaschädlichen Verkehrsmittel am stärksten gefördert werden. Die Bundesregierung könnte die steuerlichen Regelungen jederzeit entsprechend anpassen“, sagte Elena Laidler-Zettelmeyer, Leitung Strategische Kooperationen bei Zukunft Fahrrad.

Laidler-Zettelmeyer: „Anreize werden auch durch eine vereinfachte Besteuerung geschaffen. Eine unkomplizierte Anwendung eines Mobilitätsbudgets im betrieblichen Kontext schafft Wahlfreiheit und fördert den Umstieg auf nachhaltige Verkehrsmittel abseits vom Dienstwagen.“

Unternehmen brauchen Planungssicherheit

Vor allem aber müsse es ein eindeutiges Bekenntnis zu neuen Prioritäten in der Verkehrspolitik geben, so der EVG-Vorsitzende Martin Burkert: „Mobilität ist mehr als Automobilität. Autobahnen und Bundesstraßen hat Deutschland genug, Schienenstrecken und Radschnellwege zu wenig.“ Dieser neuen Priorisierung müsse auch eine andere Art der Finanzierung folgen. „Es braucht einen verkehrsträgerübergreifenden Infrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild, der für mehrere Jahre aufgestellt wird. Nur so gibt es eine sichere Finanzierungsgrundlage für die Verkehrswende“, so Burkert.

Dirk Flege von der Allianz pro Schiene ergänzt: „Finanzmittel aus dem Neubau von Bundesfernstraßen müssen zur Gegenfinanzierung umgeschichtet und Steuern im Mobilitätsbereich neu ausgerichtet werden.“

Nachbar Österreich hat umfassendes Mobilitätskonzept

Auf Nachfrage, wer ein solches Gesamtkonzept Mobilität ermöglichen müsste, erläuterte Dirk Flege, dass die Initiative vom Bundesverkehrsministerium ausgehen müsste, aber ein Kabinettsbeschluss sinnvoll sei. Er nennt als Beispiel Österreich, wo es ein umfassendes Mobilitätskonzept gibt.

Das Bündnis der Verbände und Gewerkschaften regt an, in Deutschland eine Mobilitätsgarantie einzuführen – so wie sie in Österreich und der Schweiz bereits existiert. „Das bedeutet Mindeststandards im ganzen Land und einen gesetzlichen Anspruch auf Mobilitätsdienstleistungen“, so Dirk Flege. „Die Verkehrswende ist auch eine Chance, dass vieles besser wird – ökologisch, ökonomisch und sozial.“

Neu sind die Forderungen nicht, aber notwendig für das Gelingen der Verkehrswende, denn der Verkehrssektor verfehlt seit Jahren in Deutschland seine Ziele. Es muss sich also etwas ändern.


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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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  • Worauf sollte ich als Radfahrer achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

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  • Was ist der Unterschied zwischen Pedelecs und E-Bikes?

    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

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